Samstag, 12. Juli 2014

Merzig im Jahr 1944

Merzig im Jahr 1944: Geschichte und Vergleich der Luftbilder vor und nach dem Luftangriff im November 1944.



Die Luftbilder...

 ...wurden in den Jahren des 2. Weltkriegs bei Aufklärungsflügen von speziellen Kameras in Serie aufgenommen, so dass weite Teile Mitteleuropas dokumentiert sind. Dieses riesige Archiv der "The National Collection of Aerial Photography" in Edinburgh (NCAP) ist bis heute nicht vollständig katalogisiert und man kann - gegen Gebühr - einen bestimmten Ort recherchieren lassen und Scans der gefundenen Aufnahmen erhalten.
Die unten verlinkten Bilder sind vom 28. April 1944 und vom 23. Dezember 1944.
Es wurden keinerlei Pixel-Retuschen in den Bildern vorgenommen (Staubentfernung u.ä.). Es wurden aktuelle Straßennamen hinzugefügt sowie in Klammern ockerfarbene Namen heute nicht mehr verwendeter Bezeichnungen und Einrichtungen aus dem Jahr 1944 - soweit recherchierbar. (Quelle u.a. Saarnostalgie.de)
Die Bilder urheberrechtlich geschützt und nur zur privaten Ansicht freigegeben.

Die vorherige Version (nur mit AdobeFlash aufrufbar - von Browsern i.d.R nicht unterstützt)

Die Originalbilder sind als digitale Scans auch im Merziger Bürgerarchiv vorhanden.

Bildquelle: National Collection of Aerial Photography (NCAP), Schottland

28. April 1944

23. Dezember 1944

    Im Jahr 1944...
... wurde Merzig im Zweiten Weltkrieg zu einer Frontstadt. Seit dem "D-Day" am 6. Juni 1944 rückten alliierte Truppen unaufhaltsam gegen Nazideutschland vor, bis die Offensive im September 1944 bei Metz wegen Nachschub-Problemen ins Stocken geriet. Um den Westwall  (die deutsche Westgrenze wurde von den Amerikanern "Siegfried line" genannt) zu durchbrechen, forderte US-General Patton schließlich Luftunterstützung für seine Dritte Armee an.

Artikel der Universität des Saarlandes zum Westwall

    Volksgrenadiere
Nazi-Deutschland versuchte derweil seine letzten Reserven auszuschöpfen. Merzig war voller Militär. Ständig wurden aus zersprengten Truppenteilen neue Divisionen formiert. Rücksichtslos wurden auch alte Menschen und Minderjährige rekrutiert. In Merzig wurde eine große Volksgrenadier-Division stationiert.

Wikipedia-Artikel zur Volksgrenadier-Division

    V1- und V2-Raketen
Von Ende September bis Ende Oktober 1944 war im Jungwäldchen zwischen Merzig-Brotdorf und Losheim eine mobile Abschußrampe auf der Bahnschiene der Strecke Merzig-Büschfeld positioniert. An die hundert Raketen wurden auf französisches und niederländisches Gebiet abgefeuert. Die Ziele waren Paris, Maastricht, Antwerpen und der Großraum Lille-Roubaix-Tourcoing. Weit über hundert Menschen und etliche Gebäude fielen diesem Beschuß zum Opfer.

Karte in "Building Hitler's Missiles": Traces of History in Peenemünde

Bericht über Rakteten aus dem Jungenwald (zweiter Artikel: "Raketen aus dem Losheimer Wald") Seite 14/15


    Befestigungsmaßnahmen
Ab dem dritten Quartal 1944 rechnete man mit der Alliierten Erstürmung der Stadt. Um Merzig herum wurden von "Vorkssturm" und Zwangsarbeitern Panzersperren errichtet, Panzergräben ausgehoben und diese mit Wasser befüllt. Auf dem Luftbild vom Dezember sind die Gräben am Saarufer als gezackte Linien zu erkennen. Unter anderem am Kreuzberg wurden Luftabwehrgeschütze postiert, in den Saarwiesen Suchscheinwerfer. Fast täglich heulten Sirenen und warnten vor Luftangriffen. Die Menschen flüchteten vor dem Bombenkrieg in die zahlreichen Bunkeranlagen.

Wikipedia-Artikel zu Panzergräben


    Luftangriff am 19. November 1944
Am Sonntagmorgen, dem 19. November 1944 gegen 10 Uhr ereignete sich der folgenschwerste Luftangriff auf Merzig. Über 60 F-26-Bomber warfen 1000-Pfund-Bomben auf verschiedene Teile der Stadt ab. Das eigentliche Ziel des Angriffs der US-Luftwaffe war, einen Vormarsch der alliierten Truppen zu flankieren. Dieses Ziel wurde jedoch verfehlt, da die alliierten Soldaten noch zu weit weg und die deutsche Abwehr zu heftig war.
Es gibt eine Beschreibung des Bombardements aus Sicht eines Piloten in dem Buch "Marauder" von Louis S. Rehr, Seite109-112. Dort wird der Angriff als militärischer Erfolg beschrieben. Die offiziellen Stellungnahmen der US-Generäle (z.B. von US-General Weyland) geben dies nicht her. Es ist auch nicht bekannt, daß in nennenswertem Umfang militärische Ziele getroffen wurden. Die etwa 80 getöteten Menschen waren durchweg Zivilisten.

Luftunterstützung für Pattons Armee (englisch)

Dokumente der 416.Bomberstaffel zum Angriff auf Merzig

Artikel aus der Saarbrücker Zeitung zum Luftangriff von Volkmar Schommer (gebührenpflichtig)

    Das Synagogengelände
Unter anderem wurde bei dem Angriff auch der ehemalige Standort der Merziger Synagoge in der Rehstraße / Neustraße getroffen. Zu diesem Zeitpunkt stand auf dem Gelände eine Holzbaracke, die von der "Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt" NSV zeitweise als Kinderhort genutzt wurde. Da der 19. November 1944 ein Sonntag war, hielt sich darin zum Zeitpunkt der Explosion mutmaßlich niemand auf. Eine große Fliegerbombe verwandelte dieses aber auch in weitem Umkreis weitere Gebäude in eine Trümmerlandschaft. Nach dem Krieg bildete sich die Legende*, die Ruine der Synagoge (die in Wirklichkeit schon längst abgetragen und durch die Baracke ersetzt worden war) sei durch den Angriff zerstört worden. So steht es auch auf der Vorderseite des 1961 errichteten Gedenksteins. Erst im Jahr 2005 wurde auf der Rückseite des eine entsprechende Korrektur angebracht.

*(Beim Novemberpogrom 1938 (Reichskristallnacht) war das Synagogengebäude bis zur Ruine abgebrannt. Die Stadt kaufte 1939 das Gelände und trug Anfang der vierziger Jahre die Ruine vollständig ab. An gleicher Stelle wurde eine Holzbaracke errichtet, die (siehe oben) als Kinderhort genutzt wurde. Auf der Luftaufnahme vom April erkennt man an der Ecke Rehstraße (Synagogenstraße) / Neustraße ein kleines niedriges Gebäude mit Satteldach in Nord-Süd-Richtung. Das Synagogengebäude war in Ost-West-Richtung ausgerichtet und nahm fast den gesamten Platz ein. Davon ist auf diesem Bild vom April 1944 nichts mehr zu sehen.)

Artikel aus der Saarbrücker Zeitung von Alfred Diwersy zur Geschichte der Synagoge (gebührenpflichtig)


Gedenkstein Vorderseite

Inschrift:
"Hier stand das im November 1938 beschädigte und im November 1944 zerstörte ehrwürdige Gotteshaus der Israelitischen Gemeinde Merzig."

Gedenkstein Rückseite

Inschrift:
"Die Synagoge wurde in der Pogromnacht im November 1938 zerstört und die Ruine später abgerissen. Das Haus des Kantors fiel einem Bombenangriff im November 1944 zum Opfer.
30.3.2005"


Material zur Jüdischen Geschichte in Merzig


Orte des Terrors und Widerstandes der Aktion 3. Welt Saar

Alternativer Stadtrundgang durch Merzig des BBZ

    Vom Luftangriff bis zum Einmarsch der Alliierten Truppen
Hastig wurden nach dem 19. November 1944 alle Zivilisten aus der Stadt evakuiert und z.T. auf Dörfer weiter östlich verteilt. Auch die Menschen aus den Zwangsarbeiter-Lagern am Schützenhaus und auf dem VILBO-Gelände wurden nach Osten transportiert, einige vermutlich über das Zwischenlager Theley, wo wegen der Überfüllung unmenschliche Zustände herrschen. Viele von ihnen mussten wohl bei miliärischen Befestigungsmaßnahmen während der "Ardennenoffensive" Arbeiten verrichten, viele kamen ums Leben. Das Schicksal dieser Menschen ist noch weitgehend unerforscht, denn die chaotische Lage führte auch dazu, daß eine Dokumentation ihres Verbleibs nicht mehr geführt wurde.
Merzig blieb bis März 1945 eine umkämpfte und menschenleere Stadt. So zeigt es das Luftbild vom Dezember 1944.
Dann schließlich nahmen Aliierte Truppen Merzig fast kampflos ein.

Wikipedia-Artikel über den Vormarsch der Alliierten Truppen


Wikipedia-Artikel zur "Operation Undertone"

Artikel der Universität des Saarlandes zum Lager Theley




Stichwörter: Saarland; Merzig an der Saar; Zweiter Weltkrieg; Drittes Reich; Nationalsozialismus; Bombenkrieg; Bombenabwurf; Zerstörung; Zwangsarbeiter;
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